STROM GEGEN SPECKSelbstversuch EMS-Training

Neue Trendsportarten spriessen wie Pilze aus dem Boden. Aktuell rücken wir unseren Hüftpolstern mit Strom zu Leibe, denn beim EMS-Training sollen dank Steckdose die Pfunde purzeln. Aber was ist dran am neuen Hype? Wir haben unsere Redaktorin unter Strom gesetzt. Ein Selbstversuch.

Elektrostimulationstraining: Neuer Fitness-Trend setzt auf Strom

Wer heute joggt, schwimmt oder Fahrrad fährt, ist – sportlich gesehen – langweilig. Bikram Yoga und Pole Fitness sind die Sportarten der Stunde. Ganz nach dem Motto: Bewegung ist gut – Bewegung, die neu und aussergewöhnlich ist, ist (angeblich) besser. Wir machen nicht mehr nur Yoga, wir machen es bei 50 Grad Raumtemperatur. Wir machen nicht nur Gymnastik, wir hängen dabei an der Stange.

Und weil wir auch nicht mehr nur Krafttraining machen, werden wir dabei nun unter Strom gesetzt. Der neue Stern am Fitness-Himmel heisst Elektronische Muskelstimulation (EMS) und soll uns noch schöner, straffer und fitter machen. Unsere Redakteurin schwimmt für ein Training mit dem Strom und hat den Trend ausprobiert.

Lebensverändernder Muskelkater?

Ich bin ein neugieriger Mensch. Wenn man mir also erzählt, dass man bei einem neuen Fitnesstrend unter Strom gesetzt wird und dabei Übungen ausführt, die angeblich «lebensverändernd» (womit meine weibliche Informantin primär ihren Hüftumfang meinte) sind, möchte ich mir mein eigenes Bild machen. Ich bin aber auch ein vorsichtiger Mensch – ich korrigiere: ein vorsichtiger, googelnder Mensch. Darum habe ich vor meinem ersten EMS-Training das Internet nach Erfahrungsberichten durchforstet. Danach war ich ein ängstlicher Mensch.

Ursprünglich kommt das Elektrostimulationstraining aus der Physiotherapie – seit einiger Zeit hält es aber auch in Schweizer Fitnessstudios und bei Personaltrainern Einzug. Die Funktionsweise ist einfach: Durch Stromimpulse wird unsere Tiefenmuskulatur kontrahiert und aktiviert. Bewegen wir uns dabei zusätzlich wird der Effekt verstärkt und der Muskelaufbau erleichtert. Jene, die den Trendsport bereits ausprobiert haben, beschreiben ein Kribbeln, das teilweise unangenehm war und schildern tags darauf den schlimmsten Muskelkater ihres Lebens. Schmerzen, die sich aber offenbar lohnen. Denn wofür normalerweise über zwei Stunden trainiert werden muss, reichen dank Steckdose nur zwanzig Minuten.

Elektrostimulationstraining: Sporteln im Ameisenhaufen

Ein grosser, muskulöser Mann öffnet die Türe und strahlt mich an. Genauso stellt man sich einen Personal Trainer vor. Marco Kreider scheint das perfekte Aushängeschild für den Trendsport zu sein: Fit, fitter, am fittesten. Schuldbewusst höre ich die halbleere Tüte Gummibärchen, die ich mir als Wegzehrung eingesteckt habe, in meiner Jackentasche knistern.

Marco Kreider coacht in seinem Studio all jene, die an ihrer körperlichen Verfassung etwas ändern wollen – unter anderem mit elektrischer Muskelstimulation. Schnell sind wir per du und nach einem Einführungsgespräch, in dem er meine Masse und Befindlichkeiten notiert, schickt er mich in die Garderobe. Ich bekomme spezielle und hautenge Funktionswäsche, welche ich unter den Elektroden tragen werde – andere Materialien würden den Stromfluss womöglich behindern. Als ich wieder in den Trainingsraum komme, sprüht Marco den elektrischen Wunderanzug gerade mit Wasser ein – auch das dient dem besseren Stromfluss. Er hilft mir beim Anlegen der Gurte und platziert 16 Elektroden an Oberschenkel, Po, Bauch, Rücken und Armen.

Nachdem ich von Marco fachmännisch verpackt wurde, kann das Training beginnen. Ganz langsam setzt er die einzelnen Elektroden unter Strom und dreht den Regler so weit, bis ich ein leichtes Kribbeln spüre. Je mehr Muskelmasse, desto später kribbelt es. Das Gefühl lässt sich wohl am treffendsten mit einem Ameisenhaufen beschreiben. Interessant, ja. Schmerzhaft, nein.

Als meine Unterschenkel bereits unter Strom stehen, betätigt Marco die Regler jener Elektroden, die an meinem Po sitzen. Ich spüre nichts. Er dreht vorsichtig höher, ich spüre immer noch nichts. Ungläubig blickt er mich an, ich blicke ungläubig zurück. Verwundert prüft er, ob die Elektroden auch wirklich angeschlossen sind – offenbar alles gut. Erst als er die Stromzufuhr bis zum Maximum aufdreht, nehme ich ein leichtes Zippen wahr. Marco lobt lachend mein Gesäss. Ich fühle mich geschmeichelt, vermute insgeheim aber einen Wackelkontakt.

Unten hui, oben pfui

Als Marco vorsichtig beginnt meine Arme unter Strom zu setzen, verliere ich plötzlich die Kontrolle. Sie werden nach oben geworfen und ich bin unfähig sie ruhig zu halten. «Ja, definitiv ein Büro-Job», meint er und dreht den Regler wieder nach unten. Nachdem wir mich Schritt für Schritt in Schwingung versetzt haben, kann das Workout beginnen. In den nächsten zwanzig Minuten folgen Intervalle von je vier Sekunden, in denen sich Stromfluss und Ruhephase abwechseln. Fliesst Strom, gilt es die Muskeln anzuspannen und Übungen auszuführen. Der Vorteil des dynamischen EMS-Trainings ist, dass die Tiefenmuskulatur zusätzlich gefordert wird, erklärt Marco. Würde ich die Muskeln nur im Stehen anspannen, wäre der Effekt geringer.

Während dem Training, im Zuge dessen ich Kniebeugen mache oder Übungen mit Hanteln ausführe, dreht Marco die Stromzufuhr immer ein wenig nach oben. Ich spüre, wie ich aktiv gegen den Stromfluss arbeiten und mich konzentrieren muss, damit meine Gliedmassen auch das tun, was ich will und sich nicht verselbstständigen. Nach zwanzig Minuten bin ich erschöpft und am Ende meiner Kräfte. Marco strahlt, lobt mich und setzt mich noch fünf Minuten sanft unter Strom – jetzt kribbelt es angenehm, eine wohltuende Entspannung für die geschundenen Muskeln.

Elektrostimulationstraining: Fazit

Das EMS-Training ist zweifelsohne aussergewöhnlich. An das bislang unbekannte Gefühl, bei Kniebeugen unter Strom zu stehen, hat man sich aber schnell gewöhnt. Marco Kreider hat die Stromimpulse zudem so dosiert, dass sie zwar fordernd, aber keinesfalls schmerzhaft waren. Wer sich dem gezielten Muskelaufbau widmen will, für den ist Elektrostimulation eine Möglichkeit. Schliesslich werden beim EMS-Training Muskelpartien aktiviert, die sonst brach liegen. Auf Ausdauer- und Cardio-Training sollte man deswegen aber nicht verzichten, vielmehr eignet sich EMS als Trainingsergänzung. Der Muskelkater meines Lebens blieb übrigens aus.

Femelle fragt, EMS-Trainer Marco Kreider antwortet

Was ist EMS-Training?

Elektronische Muskelstimulation (EMS) löst durch elektrische Impulse Muskelkontraktionen aus. Klingt wissenschaftlich, ist aber ganz einfach. EMS kann zu Trainingszwecken, Rehabilitation oder auch als Vorsorge genutzt werden. Die Impulse werden über Elektroden direkt in die Muskeln geführt. Sie bringen sie dazu sich zusammenzuziehen, wie bei einer normalen Bewegung. Nur intensiver und effektiver.

Ist es nicht gefährlich, den Körper unter Strom zu setzen?

EMS Training ist absolut ungefährlich, da der menschliche Körper von und mit elektrischen Impulsen gesteuert wird.

Was macht EMS so besonders?

Das Hautbild wird positiv verändert. Wir bekommen eine straffere und samtigere Haut, Cellulite wird reduziert, die Figur verbessert und das Bindegewebe gestärkt.

Für wen ist EMS geeignet? Und für wen nicht?

Das EMS Training ist im Prinzip für jeden geeignet, der in kurzer Zeit eine maximale Muskelaktivierung erreichen möchte. Nur Menschen mit Herzschrittmachern, erhöhtem Thromboserisiko sowie Schwangere sollten auf dieses Training verzichten.

Ist EMS etwas für Faule – mit ein bisschen Strom zur Traumfigur?

EMS Training eignet sich für Menschen mit wenig Zeit, die sich eine maximale Muskelaktivierung wünschen, zur Trainingsergänzung, für den Breiten- und den Spitzensport

Wie lange dauert es, bis man Erfolge sieht?

Spüren werden Sie das Training schon nach den ersten ein bis zwei Trainingseinheiten, sichtbare Erfolge zeichnen sich in der Regel schon nach wenigen Wochen (ca. 6 bis 8) ab.

In einigen Studios wird EMS-Training nicht individuell begleitet. Ein Nachteil?

Definitiv! Das Training wird womöglich falsch ausgeführt oder die Trainingsintensität ist nicht optimal. Oft kommt es auch zu Fehlern bei der Atemtechnik. Ohne optimalen Trainingsreiz kein optimales Trainingsresultat!

Wie viel kostet eine Trainingseinheit?

Eine Trainingseinheit von ca. 30 Minuten gibt es ab 59,50 CHF.

Nach Power Plate und Bikram Yoga: Ist EMS nur ein weiterer Fitness-Hype?

Jede neue Sportart erlebt einen Hype, so auch EMS. Doch aufgrund seiner Effizienz wird es – anders als andere Trendsportarten – in der Sport- und Fitnesswelt sicherlich beständig bleiben.

Elektrostimulationstraining Zürich, Marco Kreider, Personal Trainer

Über Marco Kreider

Marco Kreider ist seit 1996 im Bereich Fitness, Gesundheit und Ernährung professionell tätig. Dank seiner Erfahrungen als Personal- und Gesundheitstrainer sowie seiner physiotherapeutischen Ausbildung, erstellt er dir ein auf deine Bedürfnisse massgeschneidertes Programm und begleitet dich auf deinem Weg zu mehr Vitalität.

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