Biotechnologisch hergestellte Kosmetik Warum biotechnologische Kosmetik reiner Naturkosmetik überlegen ist

Viele Anwenderinnen glauben noch immer, dass sie heute nur die Wahl zwischen rein natürlichen und synthetischen Inhaltsstoffen haben. Doch ein Grossteil der Kosmetikprodukte wird heutzutage mit biotechnologisch hergestellten Inhaltsstoffen aus ursprünglich natürlichen Stoffen hergestellt. Und sie sind den rein natürlichen Inhaltsstoffen in vielerlei Hinsicht überlegen.

Pipette mit Flüssigkeit als Beispiel für biotechnische Kosmetik.
Biotechnische Kosmetik ist eine Kombination aus natürlichen Ressourcen und Labor-Wissen. ©  CRYSTALWEED cannabis / Unsplash

Beim Begriff «biotechnologische Kosmetik» rümpfen viele Fans von Naturkosmetik die Nase, weil sie irrtümlicherweise glauben, diese Kosmetik werde aus rein synthetischen Inhaltsstoffen im Labor hergestellt. Was viele nicht wissen: Biotechnologich hergestellte Inhaltsstoffe basieren auf natürlichen Rohstoffen. Man könnte auch sagen: Biotechnologisch hergestellte Kosmetik ist die perfekte Kombination aus natürlichen Ressourcen und Labor-Knowhow.

Wie werden «biotechnologische» Inhaltsstoffe hergestellt? 

Biotechnologie wird dazu verwendet, um bestimmte Inhaltsstoffe aus pflanzlichen Rohstoffen zu erschliessen oder natürliche pflanzliche oder tierische Stoffe gezielt und ressourcenschonend in grossen Mengen in Zell- und/oder Bakterienkulturen zu produzieren.

Ein Beispiel dafür ist Hyaluron, das heute in kaum einem Kosmetikprodukt fehlen darf. Hyaluron durfte noch bis 1998 aus dem Kamm von Hähnen gewonnen werden. Zum Glück musste seither kein Hahn dafür sein Leben lassen, vor allem wenn man bedenkt, wie viele Tonnen Hyaluron heute in der Kosmetik verwendet werden. Das Ursprungsmaterial stammt zwar von einem Tier, aber dieses wird inzwischen im Labor unter kontrollierten Bedingungen immer wieder nachgezüchtet. 

Das gleiche gilt für das Coenzym Q10, welches für den Energiestoffwechsel der Haut wichtig ist und noch in den 1970er Jahren aus Rinderherzen gewonnen wurde. Ein weiteres Beispiel ist das Squalan, welches die Schutzschicht der Haut fördert und aus Haifischleber gewonnen wird. Heute kann man aus Oliven Squalane gewinnen, welche die Wirkungsweise übernehmen.

Biotechnologisch hergestellte Kosmetik hat gegenüber Naturkosmetik diverse Vorteile

Sehr vereinfacht erklärt: Grundsätzlich bestimmt die Grösse der Moleküle, wie tief ein Inhaltsstoff in die Haut eindringen kann. Dies ist entscheidend für den Effekt, der in der Haut erzielt werden soll. Weil die Moleküle diverser natürlicher Inhaltsstoffe zu gross sind, um tief genug in die Haut einzudringen, ist es – gerade bei reifer Haut – kaum möglich, sichtbare Verbesserungen zu bewirken. 

Um beim Hyaluron als Beispiel zu bleiben: Für Bio-Hyaluronsäure wird ein Bestandteil des Schneepilzes verwendet, dessen biochemische Struktur die oberste Hautschicht nicht durchdringen kann – im Gegensatz zur biotechnologischen Hyaluronsäure, die molekular so aufbereitet wird, dass sie in die Haut einziehen kann.

Auch die Verträglichkeit ist bei der Naturkosmetik für Anwenderinnen mit empfindlicher Haut oft ein Thema. Die Kamille zum Beispiel enthält unter anderem den Pflanzenstoff Azulen. Azulen kann leicht zu Irritationen auf der Haut führen und ist ein potenzielles Kontaktallergen. Durch die biotechnologische Rohstoffgewinnung werden mittels Fermentation bei den meisten natürlichen Inhaltstoffen unerwünschte Nebenwirkungen reduziert oder vermieden, während der Wirkungsgrad beibehalten wird.

Biotechnologische Herstellung ist ressourcenschonender und umweltverträglicher

Durch die Züchtung von Zell- und/oder Bakterienkulturen in grossen Mengen wird nicht nur viel Tierleid vermieden. Die grosse Nachfrage der Kosmetikindustrie nach hocheffizienten Inhaltsstoffen von seltenen Pflanzen wie zum Beispiel dem Edelweiss oder der Schweizer Apfelsorte Uttwiler Spätlauber könnte ohne Biotechnologie heute gar nicht gedeckt werden, ohne diese Pflanzen an den Rand des Aussterbens zu bringen. Und indem man deren Eigenschaften näher an den Kosmetik-Produktionsstätten reproduzieren kann, wird die Umwelt zusätzlich geschont.

Ein weiterer Vorteil ist, dass die biotechnologische Herstellung erstens witterungsunabhängig und zweitens frei von Pestiziden oder anderen Verunreinigungen ist. Dies wirkt sich nicht nur auf die gleichbleibende Qualität und Menge der Inhaltsstoffe aus, sondern auch auf deren Preis. 

Hyaluron ist nicht gleich Hyaluron – auch bei biotechnologisch hergestellten Inhaltsstoffen

Im Gegensatz zu einem Anbieter von natürlichen Ressourcen kann ein Hersteller von biotechnologisch hergestellten Inhaltsstoffen die nachgefragte Menge und Qualität jederzeit garantieren. Doch gerade die Qualität kann von Hersteller zu Hersteller je nach Aufwand sehr unterschiedlich sein. Nur schon beim Hyaluron können die Preise von 21.90 bis 266 € / 5 kg variieren. Und das schlägt sich dann auch – zusammen mit den Marketingkosten – im Produkt nieder.

Hat Naturkosmetik heute noch eine Daseinsberechtigung neben der Biotechnologie?

Naturkosmetik hat selbstverständlich auch weiterhin ihren Platz in der Kosmetikbranche. Gerade für junge und unkomplizierte Haut ist Naturkosmetik meist eine gute Wahl. Naturkosmetik schützt auf jeden Fall deine Haut vor der umweltbedingten Hautalterung. Wenn du jedoch mehr als Schutz erwartest, dann macht es Sinn, biotechnologische Kosmetik zu verwenden.

Rolf Stehr ist CEO bei der Stehr Cosmetics AG, gelernter Chemielaborant und Make-up-Artist. Davor beriet er Kosmetikunternehmen bei der inhaltlichen Optimierung ihrer Produkte. Neben seiner Arbeit im eigenen Unternehmen setzt er sein Fachwissen auch bei Talkshows und Kolumnen ein.

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