GUT IST GUT GENUGWarum Entscheiden glücklich macht

Ist er wirklich der Richtige? Ist das mein Traumjob? Und wollte ich nicht immer in Spanien leben? Keine Generation vor uns hatte so viele Möglichkeiten. Warum uns unser Streben nach der perfekten Entscheidung schlussendlich aber zum Verhängnis wird, erklärt die Autorin Edith Einhart im Interview.

Wie wir leichter eine Entscheidung treffen

Ach, hätten wir doch! Was wäre wenn? Vielleicht, womöglich, eventuell... «Wir saufen ab im Meer der Möglichkeiten», schreibt Edith Einhart, Autorin von «Warum Entscheiden schwer fällt, aber glücklich macht». Offenbar ein Phänomen unserer Generation: Wir sind unfähig, uns zu entscheiden. Festlegen? Gott bewahre! Sich mit dem Mittelmass zufriedengeben? Niemals! Bestimmt geht es noch ein bisschen besser, wir müssen nur weitersuchen. Der perfekte Partner, der Traumjob, alles eine Frage der Zeit. Im Interview mit Femelle spricht Edith Einhart über die Qual der Wahl und erklärt, warum wir unserem Lebensglück mit einem Dasein im «Dauer-Stand-By» im Weg stehen.

Frau Einhart, ich wusste heute früh nicht, ob ich die grüne oder die blaue Bluse anziehen, Müsli oder Käsebrot frühstücken und mit dem Fahrrad oder dem Bus in die Arbeit fahren soll. Bin ich entscheidungsschwach?

Ja, es klingt ein wenig so. Sie machen es sich unnötig schwer.

Und wie könnte ich es mir einfacher machen?

Sie könnten ausprobieren ob es funktioniert wenn Sie Ihrem ersten Impuls nachgeben. Also wenn Sie jetzt diese beiden Oberteile rauslegen, denken «Aja, blau gefällt mir», den Gedanken sofort stoppen und die Bluse einfach anziehen. Also sofort wählen und gar nicht lang überlegen. Sonst sitzen Sie schon in der Falle.

Es sind aber nicht nur die alltäglichen Entscheidungen, die uns schwer fallen. Ein Café in Berlin eröffnen, in London an der Karriere arbeiten oder doch aufs Land ziehen? Meistens haben wir mehr als einen Lebensentwurf. Warum fällt es uns so schwer, uns zu entscheiden?

Generell ist es ja schön, dass wir so viele Möglichkeiten haben und so viele Lebensentwürfe. Aber das Dumme daran ist, dass unser Gehirn in der Urzeit kreiert wurde und da gab es wenige Optionen. Mit den Möglichkeiten, die wir heute haben, sind wir einfach überfordert. Es ist leider so, je mehr Möglichkeiten man hat, desto schwieriger wird die Entscheidung. Denn wenn man sich für eines entscheidet, muss man auf alles andere verzichten. Und weil wir vor diesem Verzicht solche Angst haben, bleiben wir im Ungefähren und machen weder das eine noch das andere.

Warum haben wir so grosse Angst davor, die falsche Entscheidung zu treffen?

Weil wir inzwischen nichts mehr fürchten, als diese Reue. Dass wir das Falsche gewählt haben und es dann ewig bereuen könnten.

Sie schreiben wir führen ein «Leben auf Probe» und im «Dauer Stand By». Wie meinen Sie das?

Weil man sich nicht festlegen will, bleibt man in der Stand-By-Option. Man kann das an der Partnerschaft erklären. Man hat einen netten Mann kennengelernt und mit dem ist auch alles ganz gut. Aber man weiss natürlich, dass es da draussen wahnsinnig viele Männer gibt und denkt: Da könnte ja noch ein Besserer kommen. Deswegen bleiben wir in einer Mal-sehen-Option. Wir sind zwar bei diesem Mann, aber ganz insgeheim denken wir: Naja, vielleicht war das noch nicht alles und vielleicht geht es ja doch noch besser.

Was passiert denn, wenn man sich stets alle Optionen offen hält?

Man kommt nie richtig an. Und man fühlt sich immer ein bisschen unruhig. Also letztlich ist man relativ gestresst.

Wir machen uns also selber unglücklich?

Ja. Das Dumme ist, dass wir oft unterschätzen, was uns unsere Unentschlossenheit kostet. Nämlich Zufriedenheit und Seelenruhe. Das ist auch der Fall, wenn man an die Partnerschaft denkt. Hier verhindert man mit seiner Unentschlossenheit womöglich tiefere Gefühle. Dazu gibt es eine interessante Untersuchung, die zeigt, dass Frauen, die sich bewusst für einen Partner entscheiden, auf diesen viel intensiver einlassen können.

Das heisst, dass wir uns durch unsere Unentschlossenheit selbst blockieren.

Das kann man so sagen. Eigentlich blockieren wir damit unser Lebensglück. Also wir vergessen, dass diese Unentschlossenheit wahnsinnig viele Kosten hat, nämlich Unruhe und Angst. Das ist wirklich interessant zu beobachten, wie tief das in den Leuten drinsteckt. Und wir machen uns damit auch relativ unlebendig und unspontan.

Es scheint, früher war das alles einfacher. Fiel es unseren Eltern und Grosseltern denn leichter sich zu entscheiden?

Ja, weil es ihnen leichter fallen musste. Sie hatten Druck von Aussen und mussten einem bestimmen Ruf gerecht werden. Heute haben wir die fatale Situation, dass wir alles dürfen – nur jetzt machen wir uns selber Druck. Unsere Grosseltern konnten zumindest noch kämpfen gegen einen übermächtigen Vater, wir müssen aber gegen unseren eigenen Anspruch kämpfen. Und das ist ungleich schwieriger. Versuchen Sie mal gegen sich selbst anzugehen. Wir machen uns das Leben einfach schwer, weil wir von allem immer das Beste wollen.

Warum sind wir nicht einfach mit dem zufrieden, was wir haben?

Das liegt an einem Mechanismus aus der Evolution, der damals gut war. Natürlich hat jeder versucht, das Beste zu ergattern, sonst hätten wir nicht überlebt. Aber heute, wo wir es geschafft haben, alles im Überfluss zu haben, ist das hinfällig. Dieses Streben nach dem Optimum steckt aber immer noch in uns und das kann man auch nicht einfach abstellen.

Woher weiss ich denn, dass ich die richtige Entscheidung beim Partner, Job oder Lebensort getroffen habe?

Das ist genau das Problem. Wenn man sich das fragt, sitze man schon in der Falle. Hier muss man wissen: Man bereut eigentlich seltener eine falsche Entscheidung, als wenn man sich gar nicht entschieden hat. Das ist ganz wichtig. Man bereut eher, was man gar nicht angepackt hat.

Kann man Entscheiden lernen?

Ja, kann man. In erster Linie ist es gut, sich vor Augen zu halten, was das einen emotional kostet. Dann ist man schon ein bisschen schneller. Und dann hilft es oft, wenn man das Erstbeste nimmt. Das klingt jetzt relativ krass, aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass das in Alltagsentscheidungen wirklich hilft und es gar nicht schlimm ist, wenn man nicht ewig überlegt. Zum Beispiel beim Essen im Lokal: Da nehme ich immer das, was mir als Erstes ins Auge fällt, während meine Freundinnen ewig nicht weiterkommen.

Aber wie packe ich das an? Wie haben Sie das gemacht?

Ich hatte dieses Problem ja auch, besonders in Partnerschaften. Dann habe ich einige Bücher gelesen und bin auf einen Satz gestossen: «Gut ist gut genug». Ich habe den Satz «Es könnte noch etwas Besseres kommen» einfach gestrichen. Wenn mir etwas gefällt, und bevor diese ganzen Gedanken anfangen, sage ich immer «Gut ist gut genug». Mir hat das immer geholfen. Der zweite Satz lautet: «Besser ein ja, als ein jein». Denn wenn ich eine falsche Entscheidung getroffen habe, ist das besser als ewige Unentschlossenheit. Dann habe ich wenigstens eine Erfahrung gemacht. Das sind eigentlich meine beiden Leitsätze und damit kommt man mit kleinen und grossen Entscheidungen ganz gut durch.

Sie haben vor zwei Jahren beschlossen entscheidungsfreudiger zu werden. Ist Ihr Leben jetzt besser?

Ja, sehr viel besser. Es ist sehr viel entspannter. Ich hatte vorher unglaubliches Heck Meck mit der Partnerwahl. Erst fand ich das Internet mit den Partnerbörsen toll, habe mich dann aber völlig da drin verloren. Und hatte dann auch das berühmte «Dating-Burn-Out». Sie wissen schon, man trifft 1.000 Männer, aber keiner ist der Richtige. Man fängt Beziehungen an, man bricht sie wieder ab, weil es kommt ja noch ein Besserer. Aber dann habe ich es anders gemacht und mir einen Partner in meiner näheren Umgebung gesucht und auch genau den Richtigen gefunden. Er ist nicht perfekt, aber das bin ich auch nicht. Und da wir das beide wissen, sind wir sehr glücklich miteinander. Wir spielen auch mit diesen Unvollkommenheiten. Da steckt auch viel Humor dahinter. Beim perfekten Partner würde man das nie haben, da gibt es dann auch nichts zu lachen.

Zur Person: Edith Einhart, geboren 1969 in München, ist Journalistin und Buchautorin. Sie arbeitet derzeit bei dem Frauenmagazin «Freundin» in München. Demnächst erscheint ihr neues Buch «Warum Entscheiden schwer fällt, aber glücklich macht».

Zur Person: Edith Einhart, geboren 1969 in München, ist Journalistin und Buchautorin. Sie arbeitet derzeit bei dem Frauenmagazin «Freundin» in München. Demnächst erscheint ihr neues Buch «Warum Entscheiden schwer fällt, aber glücklich macht».

Text: Random House, Foto: Kay Blaschke

Interview: Redaktion Femelle

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