DER TEUFEL TRÄGT ZARAWie Fast Fashion funktioniert

Wir wollen moderne Kleider, jede Saison neu, zum Super-Schnäppchen–Preis. Fast Fashion hat uns fest im Griff. Noch bevor die Original-Kollektionen von Céline, Alexander Wang oder Tom Ford produziert sind, hängen ihre günstigen Kopien bei Zara und H&M. Wir zeigen, wie Fast Fashion funktioniert.

Anbieter wie Zara und H&M klauen bei High Fashion Designern. Wir zeigen, wie Fast Fashion funktioniert.

Wurde früher viel Wert auf Qualität und Komfort eines Kleidungsstückes gelegt, geht es heute darum, möglichst viele Trends in seinem Kleiderschrank zu beherbergen. Qualität steht da erst an zweiter Stelle, vielleicht auch an dritter oder vierter. Denn es braucht ja nur eine Mode-Saison zu halten, da sollte es vor allem erschwinglich und einfach zu kaufen sein. Wir leben nicht nur im Zeitalter des Fast Foods, sondern auch schon geraume Zeit in dem der Fast Fashion. Und Fast Fashion ist mittlerweile wirklich schnell, blitzschnell.

Grosse Modehäuser wie Mango, H&M oder Asos verstehen es zudem perfekt neue Trends aufzuspüren und Runway-Looks zu kopieren. Sie beschäftigen Trend-Scouts und Designer, die nichts anderes tun, als erfolgreiche Ideen aufzugreifen. Und dafür müssen die Zuständigen nicht mal mehr an den Modeschauen selbst teilnehmen. Kaum ist das letzte Model in Paris über den Laufsteg stolziert, sind Fotos aller Kollektionen bereits beim internationalen Modemagazin style.com zu finden. Dann heisst es für die Scouts auswählen, was die eigenen Designer kopieren sollen. Produktion und Lieferung übernimmt die eingeölte Maschinerie hinter den Moderiesen.

Die Zyklen der Modetrends sind inzwischen so kurzlebig, dass man kaum mehr von Trends reden kann, vielmehr sind es heute immer wieder neue Impulse, die durch neue Kleidung gesetzt werden. Gleichzeitig wird Mode immer günstiger. Wir kaufen Kleider nicht mehr, weil wir sie brauchen, sondern einfach weil wir es uns leisten können. In der Folge wird Mode immer häufiger zum Wegwerfen produziert.

Ideenklau oder Inspiration?

Das Paradebeispiel eines Fast Fashion Retailors ist der Modegigant Zara. Das spanische Unternehmen kopiert am erfolgreichsten. Céline, Dior oder Alexander Wang – Zara produziert Stücke grosser Modedesigner zum Spottpreis in Rekordzeit. In lediglich zwei bis drei Wochen schafft es das Unternehmen eine Kollektion vom Zeichenbrett an die Stange zu bringen. Oftmals hängen die Kopien bei Zara noch vor den Originalen der High Fashion Häusern in den Schaufenstern. Das Geheimnis der Tochtergesellschaft von Inditex, liegt in seinem Produktionsstandort. Im Gegensatz zu H&M, lässt Zara gerade Mal ein Drittel seiner Produkte in Asien herstellen. Der Rest wird in Spanien und benachbarten Ländern wie Portugal und Marokko produziert. Dadurch spart sich das Label lange Transportwege und Komplikationen bei Versand und kann flexibler auf neue Trends reagieren.

Einige Mode-Blogger haben bereits ein Spiel daraus gemacht, herauszufinden, welches Modehaus Zara als Nächstes imitieren wird. «Das Beste ist geklaut», schreiben auch Austin Kleon und Patrick Hutsch in Ihrem New York Times Bestseller «Alles nur geklaut: 10 Wege zum kreativen Durchbruch».  Voneinander abschauen gehört in der Kunst wie auch in der Modeindustrie zum täglichen Geschäft, denn ein Urheberrecht für Muster, Schnitte oder Stoffe gibt es nicht. Ausser ein Stück ist eine absolute Neuheit, aber was ist in der Mode heute schon wirklich neu? Da die allermeisten Kollektionen von vergangenen Mode-Epochen beeinflusst sind, profitiert kaum jemand in der Modeindustrie von diesem Recht.

Deshalb mag man sich streiten, ob Moderiesen wie Zara und H&M systematisch Ideenklau betreiben, um den grösstmöglichen Profit zu machen oder, ob sie sich nur von grossen Künstlern inspirieren lassen, um moderne Mode bezahlbar zu machen.  

Höhere Erwartungen an Mode-Designer

Aber nur weil es nicht verboten ist, Entwürfe anderer Modehäuser in die eigenen Kollektionen einzuarbeiten, ist es noch lange nicht folgenlos. Fast Fashion setzt Designer immer mehr unter Druck und fordert gedadezu wiedersinnig immer mehr kreativen Output. Gab es früher  je eine Kollektion für Herbst/Winter und Frühling/Sommer, werden jetzt immer häufiger vier Kollektionen gefordert. Vor allem, Anbieter von günstigerer Mode haben sogenannte Pre-Collections etabliert, die vor den eigentlichen Hauptkollektionen gezeigt werden und die Kunden bei der Stange halten sollen. Und immer mehr traditionelle High-Fashion-Modehäuser wie Chanel und Louis Vuitton ziehen mit und erhoffen sich, dadurch aktueller und bedeutender wahrgenommen zu werden.

Andere Designer und Modehäuser versuchen wiederum ihre Entwürfe vor den Räubern der Fast Fashion zu schützen. Das geht so weit, dass bei Fashion-Shows ausschliesslich geladene Gäste teilnehmen dürfen oder Fotografen ganz verbannt werden. Als souveräne Ausnahme erscheint der Designer Olivier Rousteing von Balmain. In einem Interview mit der britischen Zeitung The Independent  zitierte er Coco Chanel: «Wenn du originell bist, sei bereit, kopiert zu werden». So kommt für ihn die Kopie durch Zara einem Ritterschlag gleich. Er liebe es nicht nur seine Entwürfe gemixt mit Céline und Proenza Schouler in einem Schaufenster von Zara zu sehen, er ist auch ein aboluter Fan der Zaraschen Kopiererei: « Zara ist schnell und hat einen grossartigen Sinn für Styling. Es ist genial was es heutzutage macht. Es ist sogar besser, als das, was ich mache.»

Rousteing tut gut daran, die positive Seite des Ideenklaus zu sehen, denn vieles deutet darauf hin, dass der Bedarf nach Fast Fashion noch weiter andauern wird. Schrieb doch die NZZ dieses Jahr, dass Spaniens Mode keine Krise kenne. Zum erfolgreichen Konzern Inditex gehören Marken wie Zara, Bershka, Massimo Dutti und Pull&Bear. Auch die Marke Mango stammt aus Spanien. Allesamt sind auf Erfolgskurs.

Doch zu jeder Bewegung gibt es auch eine Gegenbewegung. Nach all der Schnelllebigkeit werden immer mehr Stimmen laut, die auf Fair statt auf Fast Fashion setzen. Das Angebot an nachhaltiger Mode, die fair und umweltschonend produziert wurde, wird immer grösser. Die Frage der Zukunft wird deshalb auch nicht mehr sein, ob wir uns Mode leisten können, sondern ob wir auf Mode verzichten wollen?

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